Hold, A. (1998). Das Verhaltensrepertoire des Weisswangen-Schopfgibbons (Hylobates leucogenys). Diploma thesis, Institut für Zoologie, Tierärztliche Hochschule Hannover, Germany. 114 pp. (German text).

Das Verhaltensrepertoire des Weisswangen-Schopfgibbons
(Hylobates leucogenys)

Almut Hold


Zusammenfassung:

Beobachtet wurden 4 Gruppen von Weisswangen-Schopfgibbons mit unterschiedlichen Gruppenstärken von zwei bis vier Tieren in den zoologischen Gärten von Amsterdam (1 Gruppe), Beekse Bergen (1 Gruppe) und Hannover (2 Gruppen). Alle untersuchten Gruppen wurden auf Inseln gehalten. Anhand der Fokustiermethode wurde ein Ethogramm dieser Tierart erstellt, indem von jeder Gruppe 100 Stunden quantitative und qualitative Daten erhoben wurden. Gleichzeitig wurden per scan-sampling Distanzmessungen zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern vorgenommen. Um vergleichbare Daten zu erhalten, die alle Aktivitätszeiten der Tiere abdecken, wurden die Beobachtungszeiten gleichmässig über den Tag verteilt.

Es wurden 74 verschiedene Verhaltenselemente beschrieben. Beim Vergleich der beobachteten Tiere untereinander zeigten sich zahlreiche signifikante Unterschiede. Die meisten liessen sich auf individuelle Eigenheiten einzelner Untersuchungstiere oder Besonderheiten in den Haltungsbedingungen zurückführen. Auffällig war jedoch, daß im Geschlechtsvergleich die Männchen aller Paare signifikant höhere Häufigkeitswerte für verschiedene dynamische Lokomotionsweisen wie Hangeln und Springen aufwiesen, sowie für die Verhaltensweise Beobachten. Hangeln und Springen kamen oft beim Patroullieren der Insel oder beim territorialen Display zum Einsatz, während Beobachten als Territorialverhalten gewertet werden kann. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, daß männliche Weisswangen-Schopfgibbons mehr Zeit und Energie in die Bewachung und Verteidigung bestimmter Ressourcen (Territorium, Partner) investieren als Weibchen. Ein ähnlicher Befund wurde auch in einer füheren Zoostudie an Siamangs erhoben (Orgeldinger, 1997: Zoo Biology 16, 309-325). Dazu kommt, daß beim Weisswangen-Schopfgibbon die Gesänge, denen ebenfalls eine Funktion im Bereich der Territorialität zugeschrieben wird, deutlich vom Männchen dominiert werden. Möglicherweise erfolgt diese Mehr-Investition auf Kosten der Nahrungsaufnahme. In mehreren Verhaltenselementen aus dem Bereich der Nahrungsbeschaffung und Nahrungsaufnahme (z.B. Gras greifen, Fangen von Insekten, Nahrung transportieren und Fressen) zeigten einige der untersuchten Weibchen höhere Werte als die Männchen. Aufgrund der ausgeprägten Indiviualität der Weisswangen-Schopfgibbons müsste der Stichprobenumfang jedoch stark vergrössert werden, um verbindliche Aussagen über alters- und geschlechtsabhängige Verhaltensunterschiede bei dieser Gibbonart machen zu können.

Das erstellte Ethogramm wurde mit bereits vorhandenen Ethogrammen anderer Gibbonarten aus Zooarbeiten verglichen. Viele Verhaltenselemente zeigen Übereinstimmungen mit Verhaltenselementen anderen Gibbonarten. Die Verhaltensweisen, die nur gezielt bei einigen Gruppen auftreten, scheinen auch hier eher mit der Art der Haltung, der Gruppenzusammensetzung und anderen Rahmenbedingungen zusammenzuhängen, als daß sie Rückschlüsse auf phylogenetisch bedingte Unterschiede zwischen den Arten spiegelten. In dieser Hinsicht unterscheidet sich anscheinend das Gros der Gibbon-Verhaltenselemente von den Lautäusserungen, insbesondere den gesanglichen Vokalisationen, welche sich in früheren Studien als verhältnismäßig stereotyp, weitgehend art-spezifisch und erblich erwiesen haben.



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